Eingewöhnung
„Man kennt nur die Dinge, die man zähmt“, sagte der Fuchs. „Die Menschen haben keine Zeit mehr, irgendetwas kennenzulernen. Sie kaufen sich alles fertig in den Geschäften. Aber da es keine Kaufläden für Freunde gibt, haben die Leute auch keine Freunde mehr. Wenn du einen Freund willst, so zähme mich!“ „Was muß ich da tun?“ sagte der kleine Prinz. „Du mußt sehr geduldig sein“, antwortete der Fuchs. „Du setzt dich zuerst ein wenig abseits von mir ins Gras. Ich werde dich so verstohlen, so aus dem Augenwinkel anschauen, und du wirst nichts sagen. Die Sprache ist die Quelle der Missverständnisse. Aber jeden Tag wirst du dich ein bisschen näher setzen können …“ (aus „Der kleine Prinz“)
Die Eingewöhnung ist für alle Beteiligten eine aufregende und anstrengende Zeit. Aber wenn diese schonend und ohne Druck verläuft, profitieren alle Parteien davon. Dann gibt es beruhigte Eltern, die arbeiten gehen können ohne sich Sorgen zu machen, die Kindertagespflegeperson, die das Kind nun einigermaßen kennt und weiß was es braucht um glücklich zu sein und natürlich die Kinder, die ihre neue Bezugsperson gerne mögen und wissen, dass sie für sie da ist. In der Theorie hört sich das alles einfach an aber jedes Kind reagiert anders in der Eingewöhnungszeit und jedes Kind braucht auch eine individuelle Eingewöhnung. Manche Kinder brauchen länger um eine Beziehung zu einer anderen Person aufzubauen als andere. Wenn Kinder erstmal im Leben zur Tagesmutter kommen, sind sie noch sehr klein. Für die Kleinkinder bedeutet das eine riesige Umstellung: Eine völlig neue Umgebung, fremde Menschen, ein ganz anderer Tagesablauf und vor allem: Nicht mehr die ganze Zeit bei Mama oder Papa sein. Aber auch die Eltern müssen sich an die neue Situation erst einmal gewöhnen. Bis eben hatten sie noch ihr Baby bei sich zu Hause und konnten jeden einzelnen Entwicklungsschritt selbst miterleben. Nun müssen sie die Verantwortung mit anderen teilen und den Erziehern ihr Vertrauen schenken.
In Anlehnung an das Berliner Eingewöhnungsmodell besteht bei mir die Eingewöhnung aus den in den folgenden Kapiteln genannten Stufen.
a) Schritt für Schritt
Da die Eingewöhnungszeit sehr wichtig ist und eine große Herausforderung nicht nur für das Kind, sondern für die Eltern und für die Tagesmutter darstellt, sollten in der Regel 3-8 Wochen angesetzt werden. Dabei soll das Kind in drei Phasen an die neue Situation gewöhnt werden, um Vertrauen zu seiner neuen Bezugsperson aufzubauen.
Erster Schritt – Die Grundphase
Für das Kind wäre am besten, wenn es in den ersten Tagen mit dem gleichen Elternteil (Mutter oder Vater) immer zur gleichen Zeit unsere kleine Gruppe besucht. So erlebt es immer eine ähnliche Situation (z.B. Morgenkreis oder Brotzeit). Ich würde empfehlen, dass an den ersten drei Tagen das Kind mit mir 1 bis 2 Stunden bleibt.
Da diese neuen Eindrücke schon recht vielfältig sind, sollte in den ersten Tagen kein Trennungsversuch untergenommen werden.
Für das Kind und mich wäre wichtig, dass in diesem Zeitraum die Bezugsperson, also die Mama oder der Papa sich eher passiv verhält. Der Blickkontakt zum Kind ist sehr wichtig. Ich würde für die Mutter oder Vater ein Kaffee oder Tee anbieten und dafür bitten, das Kind einfach zu beobachten und für das Kind da sein, wenn es einen „sicheren Hafen“ braucht. Die Bezugsperson sollte auch nicht mit dem eigenen oder anderen Kindern spielen.
Ich als Tagesmutter würde in diesen Tagen versuchen mit dem Kind Kontakt aufzunehmen und das Kind kennenzulernen um und eine gute Bindung zu ermöglichen.
Nach meiner Meinung ist ein gemeinsames Lachen und Spaß haben die halbe Miete, lockert die Situation auf und erleichtert dem Kind sich wohlzufühlen. Ich werde die Aufmerksamkeit und Interesse des Kindes mit Spielmöglichkeiten wecken oder einfach ein Buch holen und für die anderen Kinder vorlesen und damit das neues Kind in der Gruppe sofort integriert ist. Damit werde ich langsam Vertrauern gewinnen und immer mehr Kontakt aufnehmen und mich als Spielpartner anbieten.
Als Tagesmutter muss ich so viel wie möglich von der Bezugsperson über das Kind erfahren. Dafür muss ich das Verhalten zwischen der Bezugsperson (Mama oder Papa) und dem Kind beobachten können (z.B. wie die Mutter das Baby trägt oder das Kind tröstet).
Während der Eingewöhnungszeit erhalten die Eltern einen Einblick in unseren Tagesablauf und meine pädagogische Arbeit. Sie lernen – ebenso wie ihr Kind – die anderen Kinder näher kennen, was wiederum auch den Eltern die Möglichkeit bietet, Vertrauen aufzubauen. Unser Alltag wird transparent, wodurch ich den Eltern die nötige Sicherheit geben, mir ihr Kind anzuvertrauen.
Zweiter Schritt – Der erste Trennungsversuch
Am vierten Tag (wenn es nicht ein Montag ist), kommt das Kind mit der Bezugsperson wieder zur gleichen Zeit in die Tagespflege und bleibt eine kurze Weile um sich dann vom Kind zu verabschieden. Die Bezugsperson verlässt kurz den Raum und wartet in einem anderen Zimmer. Die Mama oder der Papa sollte dabei dem Kind Bescheid geben, dass sie/er kurz weg muss z.B. um auf die Toilette oder kurz zum Auto zu gehen. Falls alles gut läuft, wird die Bezugsperson nach etwa 20-30 Minuten von mir, der Tagesmutter wieder dazu geholt. Sollte das Kind dabei untröstlich weinen oder verstört wirken, wird der Trennungsversuch sofort abgebrochen. In diesem Fall muss mit dem nächsten Trennungsversuch einige Tage gewartet werden. Ich werde in dieser Zeit sehr aufmerksam sein. Ich muss herausfinden und wissen was das Kind mag, was es beruhigt und was es ablenkt. Nach etwa 3-4 Tagen kann der Trennungsversuch wiederholt werden.
Stabilisierungsphase
Wenn es dem Kind in der Situation der Trennung gut geht, geht die Bezugsperson mit dem Kind nach Hause.
Für das Kind ist es wichtig, dass es immer dasselbe Ritual hat: – Bezugsperson kommt mit Kind; Bezugsperson geht; Kind spielt; beide gehen zusammen nach Hause – So kann das Kind lernen, dass es sehr verlässlich wieder abgeholt wird. Das gibt ihm Sicherheit und Vertrauen und stärkt es, in seinem Umfeld selbstständig aktiv zu werden.
Nach und nach übernehme nun ich, die Tagesmutter die pflegerischen Aufgaben wie füttern bzw. beim Essen zu helfen oder zu wickeln, Nase putzen etc. – Immer nur so weit, wie das Kind es schon zulässt.
Wenn das Kind Kontakt zu mir und den anderen Kindern aufnimmt oder sich von mir trösten lässt, können wir sagen, dass die Eingewöhnung erfolgreich war.
Schlussphase
Der letzte Schritt in der Eingewöhnungsphase ist die Schlussphase (nach ca. 1-3 Wochen). Die Bezugsperson hält sich nicht mehr in der Tagespflege auf, ist aber jederzeit erreichbar.
Die EINGEWÖHNUNG ist beendet, wenn das Kind mich, die Tagesmutter als "SICHERE BASIS" akzeptiert hat. In der Schlussphase, nach ca. 6-8 Wochen, sollte das Kind nicht mehr als halbtags die Tagespflege besuchen.
Die wichtigsten Punkte bei der Eingewöhnung in meiner Kinderbetreuung
1. Genug Zeit, Ruhe und Geduld für die Eingewöhnung geben, nehmen, haben
2. Teddy muss mit: Wenn das Kind ein Lieblingskuscheltier oder ein Schmusetuch oder Schnuller hat, kann dieses ruhig zum ständigen Begleiter werden.
3. Auf Wiedersehen! Es ist wichtig, dass die Eltern sich von den Kindern verabschieden. Ihr Kind soll wissen, dass Sie jetzt gehen und dass Sie es auch wieder abholen. Der Abschied sollte liebevoll, herzlich und KURZ sein.
4. Kommunizieren: Jede Frage sollte geklärt werden. Gerade wenn die Kinder so klein sind und sich selbst noch nicht ausreichend verbal ausdrücken können, ist die Kommunikation zwischen Eltern und Erziehern umso wichtiger.
5. Loslassen und vertrauen: Mit der Eingewöhnungszeit wird das Fundament für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Eltern und Bezugsperson aufgebaut.